Emotionen & Mediation
Newsletter 4/2010
Starke Emotionen treten immer dann auf, wenn sich die Situation eines Menschen signifikant ändert. Bei der Geburt eines Kindes genauso wie bei dem Verlust eines geliebten Menschen. Dabei kann man davon ausgehen, dass die Emotion umso stärker ist, je bedeutsamer ein Ereignis für einen Menschen ist. Klar ist, dass Bedeutung nur persönlich hergestellt werden kann. Ben Ze’ev geht davon aus, dass Emotionen auf einem Vergleich beruhen. Auf dem Vergleich unserer aktuellen Situation mit einer vergangenen, einer zukünftigen oder auch einer, die wir als wünschenswert betrachten. Schaut man auf die emotionale Lage von Menschen, die sich in einer Trennung befinden, wird dies besonders deutlich. Der Verlust, die Trauer oder Wut, die empfunden wird, beruht häufig auf einem Vergleich, der augenblicklichen Lage mit der, die man sich erhofft hat.
Betrachtet man die Merkmale und Komponenten von Emotionen etwas genauer, so fällt auf, dass sich Emotionen typischerweise durch Instabilität, Intensität, Einseitigkeit und Kürze auszeichnen. Wir empfinden Emotionen zumeist nur für eine kurze Zeit. Sie sind Empfindungen des Übergangs von einem stabilen Zustand in einen anderen. In ihrer Intensität erfordern sie eine große innere Energie, auch deshalb können wir intensive Emotionen nur für eine relativ kurze Zeit empfinden. Der Spruch, die Zeit heilt alle Wunden, erhält hier seine Berechtigung. Emotionen lenken unsere Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Objekt, zumeist auf einen Menschen. Dieser wird emotional bewertet, positiv oder negativ. Darin begründen sich Gefühle wie Verliebtheit oder auch Hass.
Als Mediatoren wissen wir, dass Veränderungen Zeit benötigen. Zwischen zwei Sitzungen können sich Bewertungen ändern. Was in der einen Sitzung noch großes Unbehagen ausgelöst hat, kann in der nächsten schon akzeptiert werden. Dies hängt auch damit zusammen, dass Veränderungen, gerade wenn sie einschneidend sind, Emotionen hervorrufen. Diese zu verarbeiten braucht Zeit. Gerade in hochemotionalen Situationen verengt sich die Perspektive. Einzelne Aspekte werden sehr wichtig, andere die ggf. ebenso bedeutsam sein könnten, werden ausgeblendet. Eine solche Verengung ist aber nicht dauerhaft aufrechtzuerhalten. Nach einer Weile weitet sich der Blick wieder, die Intensität des Gefühls nimmt ab, wir werden wieder entscheidungsfähig.
Gleichzeitig helfen uns Emotionen Situationen schnell, aus dem Bauch heraus, zu bewerten und eröffnen uns gerade in kritischen Situationen Handlungsmöglichkeiten. Keine lang überlegten, aber solche, die in der gegebenen Situation für uns passen.
Zum Schluss noch ein paar Worte über die Stärke von Emotionen: Sie werden umso stärker empfunden, je weniger wir die Kontrolle über eine Situation haben. Am Beispiel von Paaren, die sich trennen, wird dies deutlich. Normalerweise ist es so, dass derjenige, der die Trennung herbeigeführt hat, weniger wütend, traurig, beschämt ist, als derjenige, der die Trennung bloß hinzunehmen hat. Dies ist auch in Mediationen immer wieder zu beobachten: Der oder die Verlassene agiert oftmals unerbittlich. Wir glauben, dass mit dem Wissen um das Wesen von Emotionen die Möglichkeiten von Mediator/innen wachsen, ihre Klienten in schwierigen Prozessen zu begleiten und zu unterstützen.
Literatur: Aaron Ben Ze’ev: Die Logik der Gefühle. Kritik der emotionalen Intelligenz. Frankfurt/M 2009.