klären & lösen – Agentur für Mediation in Berlin

Abgrenzung und Zusammenwirken von Beratungsformaten

Reiseziele, Rastplätze und Ausflüge | Newsletter 2/2024

Was kann man nicht alles machen: Mediation, Psychotherapie, Coaching, Supervision, Fachberatung, Konfliktcoaching, Organisationsberatung. Viele Formate, die zum Teil nicht so leicht auseinanderzuhalten sind, weil die Grenzen manchmal verschwimmen und sie ähnliche oder gar dieselben Techniken nutzen. Um hier etwas mehr Klarheit zu gewinnen, haben wir ein Modell entwickelt, welches mit dem Bild des Reiseziels arbeitet. Reiseziel bedeutet, das Ziel der Beratung auf welches wir zusteuern, unabhängig von der gewählten Technik, klar zu haben.


Intro

Inspiriert ist das Modell von der Basistriade eines Klienten in einer berufsbezogenen Beratung von Kornelia Rappe-Giesecke. Darin sind insbesondere drei Facetten relevant: Die Funktion oder Position innerhalb einer Organisation, die Profession und der oder die Klient:in als Person. Je nachdem welche Facette im Fokus steht – in Rappe-Gieseckes Worten, prämiert wird - arbeitet man in unterschiedlichen Beratungsformaten: Die Prämierung auf die Person erzeugt Selbsterfahrung oder Therapie, mit der Prämierung der Profession mache man Supervision und wenn der Fokus auf Rolle und Funktion gelegt wird arbeiten wir als Coaches 1.

Übernommen haben wir aus diesem Ansatz, sich nicht ausschließlich auf einen Aspekt der Beratung zu konzentrieren und andere auszublenden. Vielmehr geht es um eine Fokussierung. Wir haben das Reiseziel der Beratung genannt. Aus dem Fenster schauen während der Fahrt und auch mal anhalten, bereichert die Reise erheblich.

So bestechend und hilfreich das Modell von Rappe-Giesecke auch ist, Beratungsformate wie Mediation, Konfliktcoaching, Organisationsentwicklung oder Fachberatung / Lernen sind darin nur schwer abbildbar. In unserer Beratungsarbeit – und wir glauben auch in der vieler Kolleg:innen, spielen diese aber eine wichtige Rolle.2


Abgrenzungen

Unter Beratungsformat verstehen wir ein spezifisches Beratungssetting mit definierten Zielen. Mediation z.B. beinhaltet, dass mind. zwei Parteien und eine Mediator:in an der Klärung von Konflikten arbeiten. Davon unabhängig ist die Art wie man das macht, eher Interessen- und bedürfnisorientiert, im Stile der Gewaltfreien Kommunikation oder der Klärungshilfe – das nennen wir Denkschule eines Beratungsformats. Auf einer anderen Ebene liegen die darin eingesetzten Methoden und Techniken.

Die Grundidee unseres Ansatzes ist Klarheit. Klarheit über das was unsere Kund:innen brauchen, was in der Beratung erreicht werden soll. Das ist das, was wir mit Reiseziel meinen. Neben der Klarheit benötigen wir aber auch Offenheit für Phänomene und Fragen, die in dem gewählten Format eher am Rand liegen. Das versuchen wir mit der Idee des Rastplatzes und des Ausfluges zu erreichen.

Ein Beispiel: In einer Mediation mit einem Team werden strukturelle Fragen deutlich. Mediation dreht sich ja per Definition um die Klärung der Beziehungen zwischen den Parteien. Strukturelle Fragen gehen eher in Richtung Organisationsentwicklung. Sollen wir diese Punkte also ausklammern und darauf verweisen, dass das etwas anderes ist, oder einen Ausflug machen? Und wann ist es noch ein Ausflug und wann eine Veränderung des Reiseziels?

Zur Verwirrung in der Abgrenzung der Formate trägt sicher auch der gemeinsame Materialraum all der oben genannten Beratungsformate bei: Zusammenfassen, moderieren, systemische Techniken wie zirkuläre oder skalierte Fragen, die Wunderfrage oder spiegeln usw. liegen mindestens darin. Je nach Beratungsformat – und Denkschule - werden Techniken allerdings mit unterschiedlichem Fokus verwendet.

Denkschulen sind grundlegende, übergreifende Ansätze, die unser beraterisches Handeln konstituieren wie z.B. systemisches Arbeiten, von der Gewaltfreien Kommunikation getragen, an Gruppendynamik orientiert oder psychoanalytisch orientiert. Denkschulen haben je eigene Blickwinkel auf Formate und Techniken.

Jede:r, die/der schon einmal eine Ausbildung in einem zusätzlichen Beratungsformat gemacht hat, kennt diese Verwirrung von Format, Denkschule und Techniken. Irgendwie scheint Mediation doch ganz ähnlich wie Coaching – nur mit zwei oder mehr Parteien – zu sein. Supervision scheint sich der Mediation zu ähneln, nur dass sich nicht (so viel) gestritten wird. Und wann wird die Mediation therapeutisch? Immer wenn es zu tief wird? Und was ist denn zu tief? Oder, wenn es zu viel um Gefühle geht?

Kleine Vorwarnung: Über unsere Definitionen und Ziele der Beratungsformate kann man streiten. Bei einigen Formaten wir Mediation ist es einfach eine klare Definition zu finden, andere wie Therapie oder Coaching scheinen da – positiv formuliert – offener. Dazu gleich mehr.


Beratungsformate

Mediation

Mediation verortet die Ursache fehlender Lösungen für anstehende Fragen auf der Beziehungsebene der Parteien. Sie sind im Konflikt miteinander und deshalb aktuell nicht in der Lage ohne Unterstützung von außen, der Mediator:in, für sich gute Lösungen zu erarbeiten. Das Ziel der Mediation ist die Klärung der Beziehungen zwischen den Parteien. Die Grundidee ist sich (wieder) auf der Beziehungsebene zu verstehen, um dann Lösungen für die faktischen Fragen – Zusammenarbeit im Büro, Wohnort der Kinder usw. zu finden.

Die wesentlichen Arbeitsmittel der Mediation sind – neben den oben genannten Methoden und Techniken – Struktur und Klärung.

Psychotherapie

Jetzt wird es schwierig. Es gibt eine sehr große Zahl therapeutischer Verfahren und Richtungen. Auf Wikipedia findet sich folgende Definition von Psychotherapie: „gezielte professionelle Behandlung psychischer (seelischer) Störungen oder psychisch bedingter körperlicher Störungen mit psychologischen Mitteln“3. Es geht also um die Linderung individueller Leiden, für die Person beeinträchtigenden Verhaltensweisen oder Gedanken.

Diese Definition ist zunächst einmal offen für sehr unterschiedliches Vorgehen. Von einer Arbeit mit tiefenpsychologischen bis hin zu verhaltenstherapeutischen Ansätzen.

Coaching

Noch viel offener als Psychotherapie ist Coaching. Coaching ist kein geschützter Begriff, entsprechend gibt es eine Vielzahl von Coachings: Life-Coaching, Teamcoaching, Berufscoaching, Coaching für Führungskräfte usw.

Wir verwenden Coaching als Überbegriff für ein eins zu eins Setting (Coach – Coachee) zu Fragen des beruflichen Alltags wie Führung, Zusammenarbeit mit Kolleg:innen, (Selbst-)Organisation, Kommunikation mit Kolleg:innen usw. Ziel eines Coachings ist die Stärkung der Selbstwirksamkeit des Coachees. Methodisch geht es um eine angeleitete Selbstreflexion des Handelns, die wir durch passende Gesprächstechniken, sowie durch angemessene Inputs unterstützen.

Supervision

Der Fokus der Supervision liegt auf der Verbesserung der Qualität der Arbeit von Profis in Bezug auf deren Klientel sowie auf deren Gesunderhaltung. Weniger abstrakt ausgedrückt: Supervision begleitet Fachkräfte längerfristig und reflektiert mit ihnen ihre Arbeit. Das geht entlang von konkreten Fällen, auf einer strukturellen Ebene aber auch in Bezug auf die Zusammenarbeit. Ein Team kann konkrete Fälle betrachten und darauf etwas für die Arbeit lernen, es kann über Strukturen sprechen und darin Veränderungsbedarfe erkennen oder miteinander besprechen, wie sie das Miteinander so gestalten können, um gut für ihre Klient:innen zusammenarbeiten zu können. Der Modus der Supervision ist angeleitete Reflexion.

Manifeste Konflikte, die Reflexion unmöglich machen, also alles ab Eskalationsstufe 2- 3, erfordern zuerst eine Klärung.

Fachberatung /Lernen

Manchmal braucht es einfach Informationen. Wie soll ich mich über den Zugewinnausgleich einigen, wenn ich gar nicht weiß, was das eigentlich ist oder ich nicht weiß, welche Folgen eine Einigung über die Aufteilung der gemeinsamen Wohnung steuerlich hat. Konfliktparteien benötigen Informationen, die es Ihnen ermöglichen den Konfliktgegenstand zu beurteilen oder Lösungen zu überprüfen. Und wenn sie sich nicht selbst besorgen können, können wir da in gewissen Maß aushelfen. Es geht dabei nicht um eine parteiliche Beratung, sondern um Infos, die für alle Seiten wichtig sind, um weiter an der Klärung zu arbeiten.

Auf einer anderen Ebene liegt Lernen. Klassisch lernt man Dinge in einem Seminar. Verkürzt geht es dabei um das Zusammenspiel von Input, ausprobieren und Transfer in die eigene Praxis.

Eine Mediation, ein Coaching oder eine Supervision ist zunächst einmal kein Lernsetting, sondern – wie oben beschrieben – ein Setting in dem Konflikte geklärt, Fragen des beruflichen Alltags oder die Handlungsfähigkeit in Bezug auf die Kund:innen verbessert werden soll. Gleichwohl kann es sinnvoll sein, Einheiten des Lernens in unsere Arbeit als Berater:in miteinfließen zu lassen.

Umgekehrt ist es ähnlich. Haben unsere Kunden ein Seminar gebucht kommen sie in der Erwartung etwas zu lernen. Gibt es in der Gruppe Konflikte und schwenken wir auf Konfliktklärung um, ohne das mit den Teilnehmer:innen und / oder dem Auftraggeber zu besprechen, ist die Enttäuschung vorprogrammiert.

Konfliktcoaching

Wenn jemand in einem Konflikt feststeckt, sich aber noch klären will oder muss, wie er oder sie damit umgehen soll, dann ist Konfliktcoaching eine Möglichkeit. Das gilt insbesondere dann, wenn man selbst oder die andere Seite noch nicht bereit ist, eine Mediation zu machen. Der Fokus unserer Arbeit liegt auf der Stärkung Person und darauf Klarheit über mögliche Handlungsschritte zu gewinnen. Klarheit kann man für sich gewinnen, aber auch indem man versucht die Perspektive des oder der anderen einzunehmen.

Organisationsberatung

Organisationberatung nimmt das ganze System in den Blick. Es braucht ein neues Leitungsverständnis, eine veränderte Unternehmenskultur, neue Geschäftsfelder oder der Markt verlangen eine veränderte Struktur. Das sind typische Anlässe eines organisationalen Veränderungsprozesses. In einem solchen Prozess kommen verschiedene Beratungsformate zum Einsatz. Workshops zur Erarbeitung von neuen Ideen, Moderation von Veranstaltungen, Coaching einzelner Führungskräfte, Mediation zur Klärung von Konflikten usw.

Auch wenn im gesamten Veränderungsprozess unterschiedlichen Formate zum Einsatz kommen, bedarf es darin jeweils der Klarheit, was mit welchem Schritt erreicht werden soll und kann

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Reiseziele, Rastplätze und Ausflüge

Die Grundidee unseres Modells ist das Reiseziel. Das bedeutet das Ziel des Beratungsformats, im Blick zu behalten und darauf hinzuarbeiten. Wenn es auf diesem Weg sinnvoll ist, können wir anhalten (Rastplatz) und einen Einschub machen. Der Einschub kann der Arbeit an Zwischenfragen dienen: bestimmtes Wissen einspeisen, dazu dienen Handlungsmuster zu erkennen, oder die eigene Rolle zu reflektieren.

Zu einem Ausflug würde dieser Einschub werden, wenn wir mit einer oder mehreren Parteien länger in einem anderen Format bleiben würden. Das könnte in einer Mediation ein paralleles Coaching mit der Führungskraft sein oder die Klärung von akuten Konflikten in einer Supervision.

Um im Bild zu bleiben. Ein kurzer Stopp auf dem Rastplatz ist jederzeit möglich und muss nicht langwierig besprochen werden. Ein Ausflug sollte aber mit unseren Kund:innen abgeklärt werden, hier braucht es eine Zustimmung. Und selbstverständlich sollten wir auch in der Lage sein, den Ausflug fachgerecht zu leiten, wenn wir ihn denn selbst durchführen wollen.

Auf einer anderen Ebene liegt eine Veränderung des Reiseziels. Im Prozess kann sich herausstellen, dass das ursprünglich avisierte Ziel nicht mehr sinnvoll, unerreichbar oder unattraktiv geworden ist und es deshalb gut wäre, das Ziel zu ändern. Das geht aber nur im Rahmen einer Klärung mit unseren Kund:innen und / oder unseren Auftraggeber:innen. Sowohl sie als auch wir sollten jederzeit wissen, wohin die gemeinsame Reise geht. Ohne diese Transparenz können unsere Kund:innen nicht in ihrer Eigenverantwortung bleiben und wir würden Dinge tun, die übergriffig sind.


Nachbemerkung

Wir wissen die Realität ist komplexer. Modelle gewinnen ihre Erklärungskraft durch Vereinfachung. Will heißen: In realen Beratungssituationen müssen wir mehr jonglieren, gleichwohl haben wir den Eindruck, dass Transparenz und Klarheit Schlüssel zum Erfolg beraterischen Handelns sind.


Hinweise

1) https://rappe-giesecke.com/media/dokumente/veroeffentlichungen/die-innere-heterogenitaet-erfassen-autorenfassung.pdf abgerufen am 11.03.2024
2) Unser Abgrenzungs- und Kooperationsmodell könnte man auch noch gut um Formate wie Paartherapie, Ausbildungssupervision, Karriereberatung oder Ähnliches erweitern.
3) https://de.wikipedia.org/wiki/Psychotherapie abgerufen am 11.03.2024

(Michael Cramer)


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