klären & lösen – Agentur für Mediation in Berlin

Mediationstraining in Pakistan

Newsletter 2/2018

Pakistan, Afghanistan und Tadjikistan sind Länder, die kulturell und sprachlich eng miteinander verbunden sind und gleichzeitig auch viele Konflikte haben. Dies sowohl intern als auch zum Teil miteinander. Der deutsch-afghanische Verein Mediothek Afghanistan arbeitet seit mehr als 15 Jahren daran, in der Region Räume für den freien Austausch von Ideen und Meinungen in diesem schwierigen Umfeld zu unterstützen.

Eines ihrer aktuellen Vorhaben ist es, junge Menschen aus der Regionen zu Botschaftern des Friedens weiterzubilden. Sie sollen in ihren Orten ihre Kenntnisse in Mediation, Verhandlungsführung und Führung weitergeben und damit einen Beitrag für einen anderen, friedlichen Umgang miteinander leisten. Im Rahmen dieses Programm war ich für eine Woche in Islamabad, der Hauptstadt Pakistans und habe mit Teilnehmer/innen aus den drei Ländern ein Seminar zu „Mediation and negotiation skills“ für künftige Trainer gegeben.

Habibi Restaturant

Islamabad: Restaurant Habibi (Liebling)

Schon mal vorneweg: ich habe tolle, interessierte und aufgeschlossene junge Frauen und Männer kennen gelernt, die sehr offen zu dem dann doch sehr westlichen Ansatz der Mediation gearbeitet haben.

Es ist ja nicht so, dass es keine traditionellen Ansätze der Bearbeitung von Konflikten gibt. Diese reichen von Entscheidungen durch Älteste über tradierte Formen der Konfliktbeilegung durch eine Versammlung (Dschirga) bis hin zu Nanawartay, einer Bitte um Vergebung, die nach dem Brauch nicht abgelehnt werden darf und bei der ein Austausch für das vergangene Unrecht gegeben wird. Dies kann z. B. eine Tochter sein.

Und es gibt natürlich auch die bei uns übliche Form des Gangs zu Gericht. Wobei mein Eindruck war, dass dies für viele Konflikte eher als schwierig angesehen wurde. Zum einen, weil dieser Weg vielen Menschen aufgrund ihrer ökonomischen und sozialen Situation versperrt ist, zum anderen weil der Glaube an die Unabhängigkeit der Gerichte nicht übermäßig stakt ausgeprägt ist.

Und überhaupt: Es gibt in Pakistan und natürlich insbesondere in Afghanistan ja Konflikte auf unterschiedlichen Ebenen. In Afghanistan ist alles überlagert von der anhaltend schwierigen Sicherheitslage. Seit mehr als 40 Jahren herrscht Krieg und Gewalt im Land. Und auch in Pakistan ist die Sicherheitslage alles andere als gut. Abgesehen von der gut gesicherten Hauptstadt gibt es immer wieder Anschläge in allen Gebieten des Landes. Und auch in Tadschikistan gab es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion einen Bürgerkrieg. Neben der Bearbeitung von sozialen Konflikten, mit der zumindest ich Mediation zuallererst assoziiere, stehen in der Region auch immer wieder Fragen der fundamentalen Herstellung von Sicherheit im Zentrum der Diskussionen.

Die Beteiligung von Frauen am gesellschaftlichen Leben, die Frage des Umgangs mit Religion, die Beilegung regionaler ethnischer Konflikte, die Frage wer die Macht innehat und die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums, das sind die großen Fragen, die die Menschen der Region bewegen. Und gleichzeitig existieren Konflikte auf der Ebene der Gemeinden, zwischen Nachbarn und innerhalb von Familien. Und alles spielt natürlich auch ineinander und wird zum Teil überlagert von tradierten Begriffen.

Möglichkeiten der Mediation

Könnten Mediation und Kenntnisse über Mediation ein Weg sein, der bei der Beilegung einiger dieser Konflikte helfen kann? Soweit ich es heraushören konnte, gibt es zumindest bei diesen Teilnehmer/innen eine große Lust auf Veränderung. Mediation, oder zumindest mediatiative Techniken, können ein Weg sein, dies zumindest ins Gespräch zu bringen. Und dies in Gesellschaften, wo Autoritäten und deren Entscheidungen wenig oder gar nicht in Frage gestellt werden. Insofern war die Idee der Lösungsabstinez des oder der Mediatorin im Prozess eine echte Herausforderung für die Beteiligten.

Rollenspiele

Rollenspiel

Und es geht selbstverständlich nicht darum, unseren Weg der Mediation zum einzig wahren Weg zu erklären. Ich habe meinen Workshop als ein Angebot aufgefasst, aus dem sich die Teilnehmer/innen etwas für ihre künftige Arbeit entlehnen können. Das war auch das Ende des Trainings: Ein gemeinsamer Austausch darüber, welche inhaltlichen und methodischen Aspekte sie für ihre künftige Arbeit übernehmen, anpassen oder auch verwerfen möchten.

Abschlussfoto

Gruppenbild

Wenn wir davon ausgehen möchten, dass in unterschiedlichen Kulturen die Erwartungen an den Prozess der Mediation, an die Ergebnisse einer Mediation und die Rolle des Mediators unterschiedlich sein können, hat sich das auf allen Ebenen gezeigt. Mein Eindruck war, dass die Ergebnisse der Mediation auch in die lokalen Traditionen passen müssen. Sie müssen Macht und Statusverhältnisse berücksichtigen. Die doch eher strikte und klare Form des Mediationsprozesses war für viele neu. Aber insbesondere die Rolle des Mediators, als jemand, der keine Lösungen vorgibt, keine Ratschläge erteilt, sondern der strukturiert und zuhört, war eine echte Herausforderung für die Teilnehmer/innen als Mediator/innen im Rollenspiel. Und auch für die Rollenspieler/innen als Konfliktparteien. Verhandeln auf der Ebenen von Interessen und Bedürfnissen und diese auch zu verbalisieren war für viele ungewohnt.

Ein Beispiel, an dem sich diese Unterschiede gezeigt haben, ist der Umgang mit Zeit. Während für mich 10 Minuten 10 Minuten auf der Uhr bedeuten, scheint es in der Region ein eher offenes Konzept von Zeit zu geben. Wenn ich im Training gesagt habe, dass wir nun 10 Minuten Pause machen, verstanden die Teilnehmer/innen, dass es nun eine Pause gibt, die so lange dauert, bis ich wieder sage, dass es weiter geht. Erst nachdem wir dies im Training thematisiert hatten, konnten wir uns auf eine gemeinsame Linie verständigen. Es gab fortan eine Unterscheidung zwischen 10 Minuten und 10 Minuten German Time, was bedeutete, dass alle nach realen 10 Minuten wieder im Raum waren. Nun ist es ja mitnichten so, dass hier in Deutschland Menschen pünktlich sind, es ist eher die Spanne, die als tolerabel angesehen wird. Und diese ist hier geringer als in der Region Pakistan. Durch das Offenlegen haben wir es geschafft, uns auf einen Modus zu verständigen, der für alle Klarheit geschaffen hat.

Der alles überlagernde Eindruck von mir während meiner Reise war die herausragende Gastfreundschaft. Nicht nur mir gegenüber, sondern auch Teilnehmer/innen gegenüber. Neben dem Training haben wir viel Zeit miteinander verbracht. Wir haben gemeinsam gewohnt, sind gemeinsam essen gegangen, haben Ausflüge gemacht und haben viel Gelegenheit gehabt einander kennen zu lernen. Hier können wir uns mit unserer eher zielorientierten Kultur noch etwas abschauen. Denn wollen wir künftig etwas gemeinsam schaffen, ist das Soziale, das Miteinander mindestens genauso wichtig, wie die inhaltliche Arbeit.

Abschlussfest

Abschlussfest

(Michael Cramer)

Bericht über das Training auf der Seite von Mediothek Afghanistan