Erfolgreiche Mediation
Faktoren, die es wahrscheinlicher machen, dass Mediationen gelingen | Newsletter 3/2023
Was braucht es eigentlich damit Mediation erfolgreich sein kann? Zum einen natürlich kompetente Mediator:innen. In unserem Newsletter 4/2022 hatten wir ja schon über unsere Idee zu den Kompetenzen, die Mediator:innen benötigen, geschrieben. In diesem Beitrag möchten wir den Blick gerne weiten. Egal wie gut wir ausgebildet sind und wie gut wir mediieren können, erfolgreiche Mediation benötigt neben einen passenden Rahmen auch den Willen und die Ressourcen der Konfliktparteien.
Die Parteien
Knapp gesagt, es muss einen Willen der Konfliktparteien geben in der Mediation eine gute Lösung zu finden. Aus dem Harvard-Konzept1 können wir hierfür wichtige Hinweise entnehmen, wann dies gegeben ist: Eine für die Einzelnen gute Lösung ist nur gemeinsam möglich oder anders gesagt, die BATNA (Best Alternative to Negotiated Agreement) der Einzelnen ist schlechter als die mögliche gemeinsame Lösung. Es muss einen Willen zur Klärung geben. Dieser kann intrinsisch motiviert sein, etwa weil Menschen die Beziehung zueinander verbessern möchten oder sie noch miteinander zu tun haben müssen, sie können aber auch von außen motiviert sein, weil etwa eine Vorgesetze, ein Interesse an einem anderen Umgang hat. Unverzichtbar in beiden Fällen ist es aber die Bereitschaft aller Seiten zu Veränderung und zur (gemeinsamen) Arbeit daran.
Und es müssen gemeinsame Themen gefunden werden, die in der Mediation geklärt werden sollen. Wenn eine Seite nur über A reden möchte, die andere Seite nur über B ist eine Mediation zum Scheitern verurteilt.
Das sind relativ klare Kriterien, die auch in einer Auftragsklärung zu einer Mediation gut abfragbar sind. Etwas schwammiger, aber ebenso wichtig sind Persönlichkeitsmerkmale der Parteien.
Peter Kaiser, Andrej Marc Gabler, Insa Norden haben in einer Studie2 Erfolgsfaktoren für Mediation untersucht. Dabei haben sie sich ca. 300 Mediationsfälle, die am Amtsgericht Kiel durchgeführt wurden, angeschaut und festgestellt, dass die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Mediation steigt, wenn die Parteien bestimmte Persönlichkeitsmerkmale aufweisen: Kultiviertheit (sich an Regeln halten), emotionale Irritierbarkeit (Offenheit für neue emotionale Erfahrungen), Introvertiertheit (Dinge sacken lassen, bevor man reagiert), Gewissenhaftigkeit (Punkte gut durchdenken), Rücksicht und Freundlichkeit und ganz allgemein Wohlbefinden und Lebensqualität im Vorfeld der Mediation.3 Wie wir alle wissen, ist Mediation ein sehr voraussetzungsreicher Prozess. Er verlangt von den Parteien, sich auf sich selbst und den anderen einlassen, dass sie willens und in der Lage sind anderen zuzuhören, den Mediator:innen im Prozess zu folgen und eine emotionale Offenheit gegenüber anderen Sichtweisen. Dass dies einfacher ist, je üblicher das für die Parteien in anderen – nicht von Konflikten belastenden – Lebensbereichen ist, erscheint uns klar. Ein stabiles Umfeld, in dem ich mit meinen Emotionen aufgefangen werde, ist hilfreicher, als wenn ich neben diesem Konflikt noch viele andere Baustellen zu bewältigen habe.
Vor ein paar Jahren gab es in Berlin ein Modellprojekt in dem Menschen, die Verfahrenskostenhilfe bekamen, Mediation zur Klärung von Fragen in Bezug auf ihre Kinder in Anspruch nehmen konnten (BIGFAM – Berliner Initiative geförderte Familienmediation)4. Die allermeisten der Parteien waren in wirtschaftlich prekären Lebensumständen und dadurch unter Druck. Diese Knappheit an materiellen Ressourcen hat in den Mediationen häufig auch dazu geführt, dass „Kleinigkeiten“, auch wenn sie nur geringe materielle Auswirkungen gehabt haben, sehr schwer zu besprechen waren. Wenn das Tischtuch hinten und vorne nicht den Tisch bedeckt, Menschen den Eindruck haben, von existenziellem Mangel bedroht zu sein, Bedürfnisbefriedigung schwierig ist und dieser Zustand eine Erfahrung ist, den man im Leben schon länger und öfter machen musste, erschwerte das für viele eine „Großzügigkeit“, die es in der Mediation auch braucht. Großzügigkeit bezieht sich dabei sowohl auf Materielles als auch auf das Miteinander. Die Erfahrung (unverschuldet) zu kurz zu kommen zu sein, von Mitmenschen und der Gesellschaft über den Tisch gezogen worden zu sein, kann zu einem Misstrauen anderen gegenüber führen. Das macht Mediation nicht einfacher.
Ist Mediation deshalb nur was für Menschen, die im Leben gut aufgestellt sind? Definitiv nein! Es sind eher Faktoren, die die Mediation begünstigen. Je mehr die Menschen an den Wert von Kooperation glauben, davon ausgehen, der Mensch an sich ist gut, umso leichter ist es für sie natürlich auch in schwierigen Situationen auf dieses Wertegerüst zurückzugreifen. Je mehr Erfahrungen des materiellen und emotionalen Mangels wir machen mussten, umso eher kann sich das Gefühl einstellen, dass es ungerecht in der Welt zugeht. Und das begünstigt den Erfolg der Mediation weniger, denn es bedarf in der Mediation ja, wie oben ausgeführt nicht nur „technischer“ Voraussetzungen, sondern auch persönlicher Ressourcen.
Der Rahmen
Ein zweiter Punkt, der in der Studie deutlich wird, ist das Mediation einen klaren Rahmen braucht. Je klarer der Rahmen ist, umso erfolgreicher kann Mediation sein. „Je besser die Parteien über Mediation informiert waren und je besser sie sich vor der Mediation fühlten, umso gerechter fanden sie das Ergebnis (…) und umso zufriedener waren sie mit der Mediationsvereinbarung. Je informierter die Parteien waren, umso eher wurden alle relevanten Themen berücksichtigt (…), umso besser fühlten sie sich vom Mediator verstanden, umso besser wurden Konflikte und Beziehungen geklärt.“5 Unsere Kund:innen über Mediation aufzuklären und alle relevanten Themen zu berücksichtigen ist ja noch relativ einfach. Erwartungen und Ziele der Parteien in Bezug auf die Mediation zu klären ist es aber manchmal nicht. Das im Vorfeld so gut als möglich zu klären, steigert aber die Zufriedenheit der Parteien mit der Mediation. Insbesondere in Kontexten, in denen Menschen in die Mediation „geschickt“ werden, sind die Erwartungen manchmal ganz schön unterschiedlich. Das reicht von „ich weiß gar nicht, was das bringen soll, bis zu „ich habe dringende Anliegen“. Hier alle mitzunehmen ist gut investierte Zeit.
Gelingende Mediation braucht Zeit, Verhandlungsspielräume und Ergebnisoffenheit. Sind diese Rahmenbedingungen nicht gegeben, wird es schwer in der Mediation einen Denkraum zu eröffnen, in dem Menschen ihre Wahrnehmungen voneinander verändern können (Beziehungsklärung) und Ergebnisse auf der materiellen oder strukturellen Ebene zu erzielen („wie regeln wir das mit dem Kindesunterhalt“, „wie gestalten wir Arbeitsabläufe“ usw.).
In diesem Fall ist es besonders wichtig, die Rahmenbedingungen für die Mediation in der Auftragsklärung so gut wie nur irgend möglich abzuklären und eine echte Herausforderung, auch durch vorbildliches mediatives Verhaltenden unseren Klient:innen die Prinzipien der Mediation nahezubringen. Unser Tipp hier wäre, eher Mal eine Mediation abzulehnen, wenn diese Herausforderungen im Einzelfall nicht zu leisten sind.
Kleiner Nachtrag zu den Kompetenzen von Mediator:innen
In der oben schon erwähnten Studie wird ein Zusammenhang zwischen der Mediationserfahrung der Mediator:innen und dem erfolgreichen Abschluss der Mediationen festgestellt. Je mehr Mediation man gemacht hat, umso besser läuft es. Das gleiche gilt für Supervision: Je mehr Mediator:innen ihre Arbeit reflektieren, desto besser werden die Ergebnisse. Das könnte und als Ermutigung dienen, Supervision mehr in Anspruch zu nehmen.
Was bedeutet das für frische Mediator:innen? Wir würden sagen, am Ball bleiben, Erfahrungen sammeln und diese reflektieren. Erfahrung kann man schließlich nur durchs Tun bekommen. Und: Alle haben irgendwann mal angefangen!
Besonders interessant fanden wir noch zwei Zusammenhänge. „Je weniger richterliche Berufserfahrung die Mediatoren hatten, umso praktikablere Lösungen erzielten sie (…). Langjährig erfahrene Richter neigten in der Mediation offenbar stärker zu wertenden Stellungnahmen, was auf Kosten von Neutralität und Abstinenz sowie der Nachhaltigkeit der Vereinbarungen ging.“6 Übersetzt bedeutet das, wir als Mediator:innen können schnell in die Falle des vermeintlichen Wissens laufen, wenn wir uns und unsere Rolle nicht gut genug reflektieren. Und zum zweiten wurde in der Studie gezeigt, dass weibliche Mediator:innen signifikant bessere Regelungen gefunden haben, als männliche. Unklar ist, ob das an anderem Verhalten der Mediatorinnen und/oder an einem anderen Verhalten der Konfliktparteien gegenüber Mediatorinnen lag.
Zusammenfassung
Mediation ist voraussetzungsreich. Es braucht nicht nur gut ausgebildete Mediator:innen, es braucht auch den Willen und verschiedene persönlichen Ressourcen der Konfliktparteien zur Klärung. Je mehr Ressourcen jemand hat, desto höher die Erfolgschancen. Oder umgekehrt: mangelnde Ressourcen der Konfliktparteien, müssen durch uns Mediator:innen ausgeglichen werden. Menschen, die weniger die Erfahrung gemacht haben, ihnen wird gut zugehört, ihre Bedürfnisse und Erfahrungen zählen, die Mangelerfahrungen machen mussten, könnten mehr mediatorische Unterstützung von uns brauchen, um zu guten Lösungen zu kommen.
Konflikte bedeuten immer auch den Verlust von Struktur. Mediation hat deshalb eine klare Struktur und der Rahmen muss gut gesetzt sein. Je besser wir diesen Rahmen abstecken und ihn halten, desto höher sind die Chancen für die Parteien ihren Konflikt zu klären. Es lohnt sich also Zeit in die Auftragsklärung und in die 1. Phase der Mediation zu investieren. Die ständige Reflexion des mediatorischen Tuns (durch Supervision) und Rollenklarheit der Mediator:innen wirken sich entscheidend auf den Erfolg einer Mediation aus.
1) Fisher, Ury, Patton: Das Harvard-Konzept. Frankfurt/Main 2004. 2) https://www.gueterichter-forum.de/wp-content/uploads/2016/10/Studie.pdf abgerufen am 19.07.2023 3) ebd. Seite 6 4) der Evaluationsbericht zu dem Projekt ist abrufbar unter: https://www.reinhard-greger.de/dateien/BIGFAM-Evaluationsbericht.pdf abgerufen am 27.07.2023 5) siehe 2), Seite 8 6) ebd.
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