klären & lösen – Agentur für Mediation in Berlin

Triadisches Denken

Newsletter 4/2017

Wenn wir Mediation oder andere Beratungsprozesse durchführen möchten, müssen wir immer wieder mit Modellen arbeiten, die uns Orientierung geben. Die Wirklichkeit ist komplex und die Wirklichkeit in Konflikten erscheint mindestens den Konfliktparteien so komplex, dass sie keinen Ausweg mehr wissen. Wir als Mediator/innen und Berater/innen tun gut daran Ordnung zu schaffen. Die Herausforderung ist nun, eine Ordnung zu schaffen, die einerseits einfach genug ist, um Orientierung zu bieten, andererseits komplex genug ist, um der Realität standzuhalten. In diesem Text wollen wir einen Ansatz vorstellen, der uns dies zu leisten scheint: Das triadische Denken.

Was ist triadisches Denken?

Immer wenn wir über einen Gegenstand nachdenken oder ihn erfassen möchten, müssen wir uns auf eine gewisse Anzahl von Perspektiven, mit denen wir dies tun wollen, beschränken. Traditionellerweise betrachten wir dies in unserem Kulturkreis aus zwei Perspektiven. Etwas ist richtig oder falsch, groß oder klein, Mann oder Frau, wir sind zusammen als Paar oder getrennt, die Kinder sind bei mir oder bei dir…

Schon an diesen wenigen Beispielen wird deutlich, dass eine solche Denkweise die Komplexität eines Gegenstandes zwar sehr vereinfacht, es sich in der Wirklichkeit aber in der Regel komplizierter darstellt. Mit dem triadischen Denken haben Kornelia Rappe-Giesecke und ihr Mann Michael Giesecke eine weitere Möglichkeit des Nachdenkens entwickelt und sie für Beratungsprozesse fruchtbar gemacht.

Grundsätzlich ist es so, dass wir, wenn wir einen Gegenstand betrachten, z. B. eine Paar- oder Arbeitsbeziehung, unendlich viele Perspektiven gleichzeitig und gleichberichtig betrachten können: Die Dauer der Beziehung, die Rollen in der Beziehung, die Herkunft der Klienten, den Wohnort, die Beziehungsdynamik, das Alter, die Dauer des Konflikts, den Beruf, die Körpergröße, das Geschlecht um nur eine Auswahl zu nennen. Nehmen wir alle Dimensionen gleich wichtig, führt dies in der Regel zu einer Überforderung und ins beraterische Chaos, denn wir wüssten dann am Ende gar nicht mehr, wo wir sinnvollerweise anfangen sollten. Wir müssen also auswählen. Dann stellt sich allerdings die Frage, nach welchen Kriterien wir dies tun sollen. Eine Möglichkeit ist natürlich immer Intuition.

Die Idee des triadischen Denkens ist nun, dass wir die drei wesentlichen Faktoren herausfinden. Diese drei Faktoren beschreiben den Gegenstand dann so hinreichend, dass wir damit gut arbeiten können. Rappe-Giesecke hat nun in ihren Forschungen Triaden konstruiert, die uns Orientierung bei der Auswahl der Perspektiven geben können. Ein Beispiel: Ein Beratungsklient in einem professionellen Kontext sitzt nicht alleine als Person vor uns, sondern er oder sie tritt uns als Produkt seiner Person, seiner Funktion in der Organisation und als Angehöriger einer bestimmten Profession gegenüber. Nur wenn wir alle drei Perspektiven miteinbeziehen werden wir angemessene Ergebnisse erzielen.

Rappe-Giesecke geht davon aus, dass die Perspektiven miteinander zusammenhängen und das erst durch die Gesamtschau ein Ganzes daraus wird.

Triade Beratung
Beratungsklient im professionellen Kontext

Die drei Perspektiven wären in sich auch wieder betrachtbar aus drei Perspektiven. Für die Dimension Person wären das die Person als psychisches System, als biophysisches System und aus der Perspektive der Lebensgeschichte. Wir haben das unten für die Triade „Mediation im Familienkontext“ einmal aufgeführt.

Die zweite Idee des triadischen Denkens besteht darin, dass wir unseren Fokus in den unterschiedlichen Beratungsformaten auf eine Dimension der Triade legen, ohne dabei die anderen Dimensionen außer Acht zu lassen. Sie nennt dies Prämierung. So fokussiert Therapie auf die Dimension Person, Coaching auf die Dimension Funktion und Supervision auf die Dimension Profession. Das heißt konkret, dass die prämierte Dimension in Bezug auf die anderen beiden betrachtet wird.

Für Coaching würde das bedeuten, dass Persönliches, also die Lebensgeschichte, die psychische Konstitution wie auch körperliches Wohlbefinden auf der einen Seite, wie auch das Handeln aus den professionellen Erfahrungen, den professionellen Werten auf der anderen Seite im Wesentlichen in Bezug auf die Funktion des Kunden an seinem Arbeitsplatz betrachtet werden.

Eine weitere Erkenntnis aus dem triadischen Denken von Beratungsprozessen:

Nicht nur unsere Kunden können wir mit diesem Denken verstehen, sondern es stellt auch ein Modell des Beratungsprozesses an sich zur Verfügung. In jedem Beratungsprozess, also auch in einer Mediation, sind wir fortwährend damit beschäftigt, Daten über den Zustand des Systems zu erheben. Wir sammeln permanent Fakten, also wie arbeiten oder leben die Kund/innen, wie viele Kinder haben sie, wie sind deren Vermögensverhältnisse, in welchen Verhältnis stehen sie zueinander, welche Resonanzen kommen in uns hoch usw. Gleichzeitig sind wir durchgängig damit beschäftigt, Hypothesen über das System bilden: Warum ist es so wie es ist, wie erklären die sich das, wie erklären wir uns das? Welche unserer Modelle passen hier? Usw. Und zu guter Letzt beschäftigen wir uns mit dem Ersinnen möglicher sinnvoller Interventionen. Welche Technik oder Methode könnte hier passen. Was könnten wir tun, um Veränderung zu bewirken.

Wir beschäftigen uns also fortwährend mit Anamnese, Diagnose und Intervention. Und dies in allen Phasen des Prozesses. Die Erkenntnisse, die wir aus diesen drei Prozessen sammeln speisen wir fortwährend in unsere Arbeit mit ein. In jeder Phase der Mediation erfahren wir etwas über unsere Klienten, bilden wir Hypothesen und überlegen uns Möglichkeiten des Intervenierens.

Mediationsprozesse laufen deshalb nicht linear, also einfach von Phase eins bis Phase fünf durch, sondern es sind sowohl lineare als auch rückgekoppelte Prozesse und parallele Vorgänge. Linear weil wir in den Phasen arbeiten, rückgekoppelt, weil wir fortwährend Feedback zu unserem Tun bekommen und dies wieder einfließen lassen in unsere weitere Arbeit, und parallel, weil wir permanent an Anamnese, Diagnose und Intervention arbeiten. Und dann kann es passieren, und das ist nicht schlimm, dass wir in den Phasen der Mediation springen müssen, ein Stück zu weit nach vorne gehen, oder auch wieder ein Stück zurück, weil etwas noch nicht so weit gediehen sind, wie wir es angenommen haben.

Wie würde das für Mediation aussehen?

Rappe-Giesecke gibt hier nur den Hinweis, dass wir zu Beginn des Beratungsprozesses schauen, müssen, welches Beratungsformat das Richtige für die jeweiligen Kunden ist. Also Therapie, Coaching, Supervision, Organisationsberatung oder Mediation, wenn das System sehr zerstritten ist.

Im Folgenden möchten wir einen Versuch machen, das triadische Modell für die Mediation nutzbar zu machen. Im ersten Schritt schauen wir auf Kund/innen im professionellen Kontext, im zweiten auf ein Beispiel aus dem Privatkontext.

Mediation im professionellen Kontext:

Mediand/innen im professionellen Kontext, also Teams oder zwei Parteien, die zusammen arbeiten, unterliegen den gleichen Bedingungen wie andere Beratungsklienten. Sie müssen in der Mediation einen Weg finden wie sie miteinander Person, Funktion und ihre Erwartungen und Werte aus den ggf. unterschiedlichen Professionen wieder in ein konstruktives Miteinander bringen.

Schauen wir auf die Prämierung, haben wir die Vermutung, dass Mediation zunächst einmal die Dimension der Personen prämiert. Anders als bei der Therapie schaut diese nicht so sehr auf die Einzelpersonen, sondern eher auf die Wechselwirkungen zwischen den Personen, und dies in Beziehung zu den anderen beiden Dimensionen Funktion und Profession setzt. Wir gehen davon aus, dass sich im Verlauf der Mediation die Prämierung ändert. Sind wir in den Phasen zwei und drei im Wesentlichen bei den Personen, fokussieren wir im betrieblichen Kontext in Phase vier stärker auf die Funktion. Wie oben beschrieben, ist dies aber kein einfaches Abarbeiten von Phasen, sondern ein komplexer Prozess.

Mediation im Privatkontext

Triade Mediation

Auch bei Mediationen im Familienkontext gehen wir davon aus, dass zunächst die Dimension der Person bearbeitet werden sollte. Gleichwohl spielen der rechtliche und gesellschaftliche Rahmen sowie die (bisherigen) Funktionen in Familiensystem eine entscheidende Rolle. Wir gehen davon aus, dass erst über die Klärung der Wechselwirkungen der Personen eine Klärung der anderen Dimensionen und damit eine mediative Lösung möglich ist. Gleichzeitig spielen die anderen Dimensionen immer eine Rolle. Ist ein Paar in der Frage des Umganges mit dem Kind schon bei Gericht, wird die Dimension des rechtlichen Rahmens ggf. überbetont. Spätestens aber bei Suche nach Lösungen müssen aber die anderen Dimensionen einbezogen werden. Gute Lösungen müssen Antworten auf die veränderten Funktionen im Familiensystem geben und sich gleichzeitig auch zum rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmen verhalten, bzw. ihm entsprechen. Besonders interessant wird dies im interkulturellen Kontext. Hier werden ggf. Erwartungen der Umgebung oder kulturelle Erwartungen und Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt oder zumindest zu thematisieren sein.

Vorteile einer solchen Betrachtungsweise

Aus unserer Sicht könnte eine solche Betrachtungsweise der Mediation zu einer Vervollständigung des Mediationsprozesses und des Nachdenkens über Mediation beitragen. Es würde uns eine Perspektive auf andere Faktoren eröffnen, die Mediation ebenfalls beeinflussen, die in der traditionellen Betrachtung auf interpersonale Konflikte ggf. zu kurz kommt. Diese Art auf Mediation zu schauen nimmt die anderen Dimensionen gleich in den Blick und macht sie einer Bearbeitung zugänglich. Es geht nicht nur um das Nicht-Verstehen von zwei oder mehr Personen, sondern auch um die Einbettung in den Rahmen, in dem sie sich bewegen.

Zum anderen könnte uns diese Betrachtungsweise helfen, Lösungen noch mal auf eine ganz andere Art zu überprüfen. Lösungen müssen nicht nur generell SMART, fair und flexibel sein, sondern müssen alle Dimensionen der Triade berücksichtigen.

Und eine solche Betrachtungsweise könnte uns unterstützen, den Mediationsprozess an sich noch einmal anders, bewusster zu betrachten und uns ein Modell zur Verfügung stellen, unsere Mediations- und Beratungsprozesse bewusster zu steuern.

Achtung: Dieser Text ist nur ein Versuch, Konzepte aus der Beratung (Organisationsberatung , Supervision, Coaching... in den Mediationskontext zu überführen. Dies kann nur ein Anfang sein, denn nun bedarf es des Ausprobierens, des Veränderns, des Verbesserns, kurz gesagt: Es geht nun darum Erfahrungen damit zu sammeln und zu schauen, ob und wie wir damit bessere, d. h. für die Kunden zufriedenstellendende Prozesse gestalten können.


Literatur

(Michael Cramer)